Die Energie der Zukunft in Greifswald – Ein Blick hinter die Türen des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik

Heutzutage brauchen wir für alles Energie. Vom Fön bis zum Toaster, unglaublich viele alltägliche Dinge brauchen Strom. Und es werden stetig mehr. Mit dem derzeitigen dramatischen Bevölkerungs- und Industriewachstum steigt auch der weltweite Energiehunger. Seit 1970 ist der weltweite Bedarf an Energie um rund 100% angestiegen, bis 2070 könnte er sich erneut verdoppeln. Dieser dramatische Trend könnte die Menschheit schon in wenigen Jahrzehnten vor ernsthafte Probleme stellen. Um dem Klimawandel entgegenzuwirken wird gerade international auf erneuerbare Energien wie Wind- und Sonnenkraft gesetzt. Diese haben jedoch den Nachteil, dass sie wegen ihrer geringen Effizienz nur in sehr großem Maßstab ausreichend Strom liefern. Um den Energiehunger der zukünftigen Welt zu stillen, müssten ganze Landstriche mit Solarzellen gepflastert werden, ein Bauprojekt welches in diesem Ausmaß nicht praktisch oder realistisch und definitiv nicht besonders gut für die Umwelt wäre. Irgendwann wäre dann einfach nicht mehr genug Strom da. Dann wäre das Licht aus. Wir bräuchten also eine neue Energiequelle die mit kleinem Fußabdruck erstens viel Energie liefert und außerdem nicht die Umwelt belastet.

Auf der Suche nach so einer solchen Energie wird man zum Beispiel im Inneren der Sonne fündig. Dort herrschen so hohe Temperaturen und so hoher Druck, dass Wasserstoffatome zu Heliumatomen verschmelzen. Diesen Vorgang nennt man Kernfusion. Schon bei der Fusion von nur wenigen Gramm Wasserstoff werden enorme Mengen an Energie frei. Um eine gleich große Menge an Energie zu gewinnen, müsste man mehrere Tonnen Kohle verbrennen. Die Fusion ist der Grund warum unsere Sonne noch für Milliarden von Jahren Licht und Wärme spenden wird. Man bräuchte nun also einen Weg diese Energie künstlich hier auf der Erde zu erzeugen und zu nutzen. Genau daran wird hier bei uns in Greifswald geforscht. Am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (kurz IPP) beschäftigen sich Wissenschaftler mit der Machbarkeit und dem möglichen Potential von Fusionsenergie als Energiequelle der Zukunft. Im Rahmen des Betriebspraktikums der elften Klasse hatte ich die Gelegenheit mir eine Woche lang den Arbeitsalltag und die Aufgaben der Wissenschaftler am IPP anzuschauen. In dem großen Institutsgebäude in der Nähe des Elisen Park Einkaufszentrums befindet sich die Experimentieranlage Wendelstein 7-X, in der die perfekten Verhältnisse hergestellt werden, unter denen Kernfusion stattfinden kann.

Schon vor dem Beginn meines Praktikums hatte ich schon einmal die Gelegenheit einen Blick ins Institut zu werfen. Zufälligerweise war im IPP am Wochenende vor meinem Praktikum Tag der offenen Tür. Dort konnte ich schon eine Führung mitmachen, und mich ein wenig im Gebäude orientieren. Am Montag stand ich dann pünktlich um 8:00 Uhr vor dem Eingangstor. Nach einer kurzen Einweisung und ein bisschen Papierkram lernte ich dann meinen Praktikumsbetreuer Doktor Kian Rahbarnia kennen. Ich gesellte mich zu ihm und einigen Kollegen, die gerade ihre erste tägliche Kaffeepause abhielten. Kaffee ist ein wichtiger Teil im Arbeitsalltag vieler Physiker. Der erste Kaffee wird pünktlich um 9 Uhr getrunken, der nächste nach dem Mittagessen, gefolgt von einer unbestimmten Menge kleinerer Kaffeepausen, je nachdem wie lange sich der Tag so hinzieht. Die Arbeitszeiten der Physiker am IPP sind auch recht flexibel. Es gibt bestimmte Richtzeiten zwischen denen man erscheinen muss, außerhalb dieser Zeiten ist man aber recht frei und kann selbst einschätzen wie viel man zu tun hat und was man an einem Tag schafft. Nach der Vorstellung bei meinen Kollegen habe ich meinen Arbeitsplatz kennengelernt. Ich hatte meinen eigenen virtuellen PC, auf den ich von meinem Tisch im Praktikantenraum aus zugreifen konnte. Im Laufe der Woche habe ich mich unter anderem mit der Auswertung und grafischen Darstellung von Temperaturmessung aus dem Inneren von Wendelstein 7-X beschäftigt, welche während der letzten Experimentierphase von Dezember 2022 bis März 2023 aufgenommen wurde. Außerdem hatte ich die Möglichkeit einen Einblick in einige Arbeitsbereiche außerhalb der Experimentalphysik zu werfen. Ich habe mit Leuten von der theoretischen Physik, aus der IT-Abteilung, von der Elektronik und noch einigen anderen Abteilungen gesprochen. Unter anderem habe ich auch mit einer ehemaligen Greifswalder Physikstudentin geredet, die mir von ihren Erfahrungen und Eindrücken berichten konnte.

Mein Arbeitsplatz am IPP

Vor Ende durfte ich noch einmal mit in die Torushalle kommen, der Teil des Instituts, in dem Wendelstein 7-X steht. Die Torushalle hat gigantische Tore aus Beton, die die beim Betrieb möglicherweise anfallende Strahlung abblocken. Wendelstein 7-X sieht auf den ersten Blick aus wie ein wirrer Haufen aus Stahl, Kabeln und Rohren. Wenn man jedoch ein wenig genauer hinschaut, erkennt man die eigentliche Form der Versuchsanlage. Das innere von W7-X ist alles andere als wirr. Alles ist auf den Millimeter genau berechnet und abgestimmt, um die perfekten Bedingungen für die Kernfusion herzustellen. Das stellt sich aber als nicht besonders einfach heraus. Es muss ein über 100 Millionen Grad heißes Plasma erzeugt werden, in dem sich die Teilchen schnell genug bewegen, dass sie zusammenstoßen und fusionieren. So ein Plasma aber einzusperren und aufrecht zu erhalten ist sehr schwer. Wenn es in Kontakt mit anderen Materialien kommt kann es schnell instabil werden und zusammenbrechen und die Fusion könnte aufhören. Deshalb wird das Plasma im Inneren von Wendelstein 7-X von einem Magnetfeld umschlossen, sodass es nicht die Wände der Maschine berührt. Dieser ganze Aufbau wiegt rund 750 Tonnen und hat insgesamt ungefähr 1,3 Milliarden Euro gekostet. W7-X dient aber nicht dazu tatsächlich Energie zu erzeugen. Deswegen kann es auch nicht wirklich als Fusionsreaktor bezeichnet werden, es handelt sich lediglich um ein Fusionsexperiment, welches dazu dient, den Weg für zukünftige Fusionsprojekte zu ebnen.

Wendelstein 7-X

Eines dieser Projekte ist ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor), ein seit 2007 im Bau befindlicher Versuchs-Fusionsreaktor. Er hat ein Plasmavolumen mehr als 25-mal so groß wie das von Wendelstein 7-X. ITER soll 2025 in Betrieb genommen werden und wird voraussichtlich mehr als 20 Milliarden Euro kosten. Mit ITER soll nachgewiesen werden, dass es möglich ist, mit Fusion eine Netto positive Energiebilanz zu erlangen, also das bei der Fusionsreaktion mehr Heizenergie rauskommt als reingesteckt wurde. Bei ITER soll die Energieausbeute rund zehnmal so groß sein wie die Ausgangsenergie.

Ein Durchbruch in der Fusionsforschung scheint nah zu sein, könnte aber noch einige Jahre oder sogar Jahrzehnte auf sich warten lassen. Die Versprechungen von einem Überfluss an sauberer und sicherer Energie sind zwar verlockend, sollten uns aber nicht davon abhalten auch andere Möglichkeiten zu betrachten. Wir sollten weiterhin Windkraft- und Solaranlagen bauen, bis wir sie vollständig durch etwas anderes ersetzen können. Ob dieses Andere nun Kernfusion ist oder doch etwas ganz anderes, wird sich noch herausstellen. Bis dahin muss weiter geforscht und innoviert werden und wir sollten uns alle Möglichkeiten offenhalten. Wer dazu beitragen will oder allgemein Interesse an Physik hat, sollte auf jeden Fall über ein Praktikum beim IPP nachdenken. Am Ende meiner Woche am Institut wünschte ich mir das ich noch eine zweite gehabt hätte. Habt ihr also die Gelegenheit, macht lieber ein zwei- oder mehrwöchiges Praktikum. So hat man mehr Zeit um Dinge zu schaffen und zu lernen. Und lernen tut man sehr viel. Von allen Praktika die ich bis jetzt absolviert habe war dieses definitiv das Beste und ich kann es mit ganzem Herzen empfehlen.

Moritz

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