Eine einmalige Gelegenheit: Ein Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundeskanzleramt. Am 21.06. durfte die Koboldt-Kernredaktion im Rahmen der Preisverleihung des landesweiten Schülerzeitungswettbewerbs den Bundeskanzler interviewen. Wir, Fine und Konrad, stellten sich dieser Aufgabe und nach etlichen Security Checks ging es endlich los. Hier könnt ihr nachlesen, was Olaf Scholz auf Konrads Frage geantwortet hat.
Frage von Konrad: Wir haben in Vorbereitung auf das Gespräch an unserer Schule nachgefragt, was die Schülerinnen und Schüler interessiert. Im Rückblick auf die Europawahl geht es uns vor allem um den Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland, der irgendwie immer noch besteht. Was dabei aufkam war ein Gefühl, dass viel über die Menschen gesprochen wird, aber nicht mit den Menschen. Ich würde Sie jetzt einfach fragen: Denken Sie, dass das stimmt? Wenn ja, was würden Sie dagegen machen, damit sich das ändert, oder stimmt es nicht und, wenn nicht, warum nicht?
Bundeskanzler Scholz: Meine persönliche Überzeugung ist, dass man möglichst wenig über andere reden sollte, sondern sehr viel mit ihnen. Das mache ich auch. Ich organisiere immer wieder Bürgergespräche, die so ähnlich ablaufen wie hier, also dass alle ihre Fragen stellen können, auch Fragen, die ich nicht kenne. Das habe ich auch in verschiedensten Veranstaltungen in den östlichen Ländern in Deutschland gemacht und habe immer wieder gefunden, dass es ganz spannende Debatten sind, die man da führen kann. Deshalb, finde ich, ist die Frage weniger, ob man sprechen soll, sondern, was man da eigentlich politisch vorschlägt und wie man miteinander über die Fragen redet.
Wir haben ja jetzt doch ein ganz interessantes Phänomen. Wenn es zum Beispiel um Wirtschaft geht, ist es ja so, dass ein ganz großer Teil sehr zukunftsträchtiger Investitionen gegenwärtig im Osten Deutschlands stattfindet. Ich nenne einmal die ganzen Halbleiterfabriken-Chips in Magdeburg und in Dresden, wo viele zusätzlich entstehen – oder die große Ansiedlung von Tesla in Brandenburg. Jetzt hat Amazon gesagt, dass es sieben Milliarden für ein großes Rechenzentrum investiert, für eine „sovereign cloud“, und ich könnte noch viele, viele weitere Beispiele nennen.
Auch im Osten Deutschlands wird es wie im Westen Deutschlands und in fast allen Ländern Europas so sein, dass das größte Problem der Zukunft sein wird, dass man genug Arbeitskräfte hat. Das ist eine Sache, die, habe ich den Eindruck, noch nicht allen wirklich klar geworden ist, nirgendwo so richtig. Aber die Boomer, wie Sie genannt werden – ich bin einer davon –, aus der Zeit, als viele Kinder geboren wurden, die jetzt alle über 60 Jahre alt sind oder knapp darunter liegen, werden jetzt in den nächsten Jahren in Rente gehen, 13 Millionen. Das wird nur auszugleichen sein, wenn wir alles aus unserem Land herausholen, wenn also alle jungen Leute eine Ausbildung machen oder studieren, alle berufstätig sind, Eltern gute Möglichkeiten haben, um Berufstätigkeit und Arbeit miteinander zu verbinden, sodass es nicht so viel Teilzeitarbeit gibt, wie es heute der Fall ist, und wenn man mit Lust und Freude auch noch mit Ende 50 und Anfang 60 berufstätig ist. Das wird schon viel bringen.
Dann brauchen wir aber auch Arbeitskräfte aus anderen Ländern. Das hat in den vergangenen Jahren ganz gut geklappt, weil wir dafür nichts können mussten. Wir sind ja in der Europäischen Union, und da gibt es die Freizügigkeit von Arbeitskräften. Jeder in Portugal kann also sagen: Ich habe einen Arbeitsvertrag in Dresden. Ich fahre dahin und fange an, dort zu arbeiten. – Es gibt keine weiteren wesentlichen Schwierigkeiten. Das hat uns geholfen, sodass wir sechs Millionen Arbeitskräfte mehr als vorhergesagt haben. Das ist ein ganz guter Erfolg. Aber so muss es weitergehen, sonst würde es mit unserer Wirtschaft nicht laufen.
Dieses Thema spielt gerade im Osten eine große Rolle, weil dort nach 1990 viele weggegangen sind und deshalb nicht so viele junge Leute dort sind. Man muss etwas dafür tun, dass das gut funktioniert.
Ansonsten bin ich immer dafür, dass man klar zur Sache spricht. Die Demokratie muss verteidigt werden. Parteien, die das Land spalten, rechtspopulistische Parteien wie die AfD, sind nicht gut für die Zukunft, nirgendwo.
Das gesamt Gespräch könnt ihr hier nachlesen oder auch das Video schauen. (Ab Minute 5:35 stellt Konrad die Frage.)
Foto: Bundesregierung/Guido Bergmann
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