Buchrezension: Qualityland

Wenn Algorithmen dein Leben bestimmen

Hatten Sie vielleicht schon einmal den Wunsch in die Zukunft schauen zu können? Oder lebten Sie vielleicht sogar lieber dort? Nun, dank der Erfindung des Buchdruckes, der Erfindung der Bücher oder möglicher Weise schon allein dank der Erfindung der Geschichten, ist es uns möglich zumindest gedanklich die ein oder andere Zukunft auszuprobieren.

Ob „1984“ von George Orwell (veröffentlicht 1949) oder „ Die Tribute von Panem“ von Suzanne Collins (veröffentlicht 2008): es handelt sich um Utopien. Dieses Wort beschreibt entgegen dem gängigen Verständniss nämlich keinesfalls nur positive Gesellschaftsbilder, sondern allgemein zukünftige Welten und Gesellschaften. „1984“ und „Die Tribute von Panem“ wurden in verschiedenen Zeiten von verschiedenen Autoren verfasst, aber eines verbindet sie: Die Vision einer in Zukunft möglichen Welt.

Im Jahr 2017 veröffentlichte Marc-Uwe Kling, dessen Känguru-Werke wohl seine bekanntesten sind und die knapp zehn Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Bandes bereits um die 2,5 Millionen mal verkauft wurden, eine dreihundertachtzigseitige Utopie mit dem Namen Qualityland und fügte diese damit einer langen Reihe bereits verfasster Utopien hinzu.

Die Handlung folgt im Wesentlichen drei Figuren, beziehungsweise einer künstlichen Intelligenz und zwei Figuren, die in Qualityland leben. Dieses Land ist technisch sehr weit entwickelt und verschiedene Algorithmen bestimmen den gesamten Alltag der Menschen. Sie berechnen die perfekten Lebenspartner, welche Wünsche man hat, oder wie man mit einem selbstfahrenden Auto am besten zu seinem Wunschort gelangt.

John of Us, die künstliche Intelligenz, ist Präsidentschaftskandidat für die Fortschrittspartei, Martyn Vorstand, ein Mitglied und Mitarbeiter dieser und Peter Arbeitsloser (jeder hat den Beruf seiner Eltern als Nachnamen) ist Maschinenverschrotter, der die Maschinen häufig doch nicht verschrottet und ihnen damit das Leben rettet. Als Peter Arbeitsloser von einer Drohne von TheShop, einem Shop, der einem automatisch alle bewussten oder unterbewussten Wünsche zukommen lässt, einen rosanen Delfinvibrator geschickt bekommt, beginnt er an den vielen Algorithmen und dem System zu zweifeln, da er sich sicher ist nicht einmal den unterbewussten Wunsch gehabt zu haben, einen Delfinvibrator zu besitzen.

Marc-Uwe Kling teilt seinen Roman nicht nur in die drei Handlungsstränge, die ab und zu und besonders zum Ende hin immer häufiger aufeinandertreffen, sondern auch in Werbung und eine Art Guide, der den Leser mit Qualityland bekannt macht. Die Werbung zwischen den Kapiteln unterscheidet sich dabei von der hellen zur dunklen Version des Buches, da Marc-Uwe Kling es geschafft hat den Inhalt seines Romans auch in der Auflage sichtbar zu machen. Je nach Persönlichkeit soll man sich zwischen eher positiverer oder eher negativer Werbung entscheiden können. Diese neue Methode ist eine unglaublich faszinierende Art, den Grundstein Qualitylands, also die Berechnung von Wünschen, Bedürfnissen, Partnern oder Charakter, auch nach außen zu tragen.

Mit Witz und Humor sind nicht nur die Werbepassagen gestaltet, sondern auch jedes einzelne Kapitel und jede einzelne Figur. Sarkastisch und ironisch karikiert Marc-Uwe Kling nicht nur das System der Gesellschaft, die er selbst geschaffen hat, sondern durch indirekte Anspielungen auch das unsere. Dabei steht außer Frage, das es von Vorteil ist ein gewisses politisches Interesse mitzubringen, wenn man sich an dieses äußerst kurzweilige Buch wagt, denn wie auch in den Känguru-Chroniken schreckt der Autor nicht davor zurück auch die ein oder andere politische Kritik zu üben, die mit einem gewissen Hintergrundwissen verständlicher ist.

Auch ein paar Literaturkenntnisse sind beim Lesen der Werbepassagen sinnvoll. So gibt es sowohl in der dunklen, als auch in der hellen Version des Buches einen personalisierten Werbetext für Shakespeares Klassiker „Romeo und Julia“. In der einen Version mit Thrillercharakter und einer sehr sexuell betonten Beziehung zwischen Romeo und Julia und in der anderen eine Romantische Liebesgeschichte mit Happy End, aber in beiden Fällen steigert sich der Belustigungsgrad, wenn man sich bewusst ist, wie dieses englische Drama in Wirklichkeit ist.

Daran zeigt sich deutlich, dass Qualityland ein Werk der Gegenwart ist, denn es bezieht sich ganz konkret auf bereits bestehende Werke und geht dabei davon aus, dass die Leser sie kennen. Zusätzlich wird die Zuordnung zur Gegenwart deutlich, wenn man sich auf Marc-Uwe Klings Sprache genauer auseinander setzt. Er spielt mit den Worten und ihrer Verwandtschaft untereinander und lässt eine Figur zum Beispiel im Zusammenhang eines Gesprächs über eine neue Religion in Qualityland, dass sie in dieser ReligionEine Rezension über Qualityland (Mark-Uwe Kling) nicht mehr von der Schöpfung sprächen, sondern von der Erschöpfung.

Beim Lesen stellte ich fest, dass das Buch gut zu unterhalten vermag und es flüssig und angenehm zu lesen ist, ich aber gleichzeitig häufig das Gefühl hatte, keine der Figuren wirklich kennen zu lernen, gerade weil sie so unterhaltsam und karikativ dargestellt sind und sie auf wenige überspitzte Eigenschaften reduziert werden. Peter zum Beispiel scheint oft ein wenig ahnungslos und unerfahren zu sein und gleichzeitig fast Eine Rezension über Qualityland (Mark-Uwe Kling)schon naiv hartnäckig auf seinem Recht zu bestehen.

Häufig ist eine gewisse Oberflächlichkeit angenehm, da man einfach und schnell auch nach einer Lesepause in die Geschichte eintauchen kann und man eine leichte Lektüre zum Verlassen des Alltags hat, aber in einigen Momenten ist es auch sehr schade, dass man den eigenen Lieblingscharakter oder auch die anderen Figuren nicht näher kennen lernt. In diesen Momenten fehlt mir eine stärkere Tiefgründigkeit des Buches.

Insgesamt ist Qualityland also ein sehr kurzweilige Buch, das durch Witz und Humor unterhält und das einem helfen kann für kurze Zeit abzuschalten. Der Wechsel zwischen den verschiedenen Handlungssträngen und auch die Werbung zwischen den Kapiteln verleihen dem Buch eine gewisse Vielfalt, doch fehlen manchmal die tiefgründigeren Passagen, die einem helfen sich Figuren und Land genauer vorzustellen. Aus diesem Grund ist Qualityland jedem zu empfehlen, der sich gerne an einer kurzweiligen Art von Unterhaltung erfreut, wie es auch Kabarett ist. Außerdem wird derjenige, dem bereits die Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling gefallen haben, auch diesen Roman gerne lesen.

Adele

Koboldt

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