Einstieg
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Mehr als ein Modewort – Was Nachhaltigkeit bedeutet
Nach dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bedeutet „Nachhaltigkeit“ oder nachhaltige Entwicklung, „die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden.“
Das bedeutet unter anderem, dass nicht mehr Ressourcen verbraucht werden sollen, als auch nachwachsen können.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) beschreibt Nachhaltigkeit als ein Entwicklungskonzept, das die ökologische (Schutz von natürlichen Ressourcen, Klima und Biodiversität), ökonomische (ressourcensparend und effizient wirtschaften) und soziale (Gerechtigkeit, Teilhabe und faire Lebensbedingungen für alle) Dimension gleichermaßen berücksichtigt. Diese Definition orientiert sich am Drei‑Säulen‑Modell sowie den UN-SDGs, wie sie beim BUND und international vertreten werden.
Ein zentrales Beispiel dafür, wie eng Umwelt, Gesellschaft und Klimaschutz miteinander verknüpft sind, ist der Zustand unserer Gletscher.
Gletscher gelten als Frühwarnsysteme des Klimawandels. Ihr weltweiter Rückgang ist eines der sichtbarsten und deutlichsten Zeichen dafür, dass unser Umgang mit der Umwelt bisher noch nicht nachhaltig ist.
Sie reagieren besonders empfindlich auf steigende Temperaturen und zeigen uns, wie tiefgreifend menschliche Einflüsse bereits in die natürlichen Prozesse der Welt eingegriffen haben. Deshalb ist es sinnvoll und notwendig, über Gletscher zu sprechen, wenn man das Thema Nachhaltigkeit ernsthaft behandeln will. Am Beispiel des Gletscherschwunds wird deutlich, wie wichtig nachhaltiges Handeln für die Zukunft unseres Planeten ist und welche Folgen es haben kann, wenn wir es unterlassen.
Giganten aus Eis

Gletscher sind große, bewegliche Eismassen aus Schnee, Firn und Eis, die sich durch ihr Eigengewicht langsam verformen und talwärts fließen. Sie unterscheiden sich von unbeweglichen Eisformen, da sie ständig Masse aufbauen und wieder verlieren. Ein Gletscher entsteht, wenn im Gebirge, über Jahre mehr Schnee fällt als abschmelzen kann. Der Begriff „ewiges Eis“ ist daher irreführend.
Gletscher gibt es seit rund 34 Millionen Jahren. Besonders während des Eiszeitalters (Quartär) bedeckten sie zeitweise über ein Drittel der Erdoberfläche. Heute hingegen sind noch etwa 10 % der Landfläche vergletschert, vor allem in der Antarktis, Grönland, Gebirgsregionen, wie den Alpen und den Anden, sowie in Alaska und Norwegen. Seit der letzten Kaltzeit vor etwa 20 000 Jahren ziehen sie sich mit steigenden Temperaturen zunehmend zurück.
Das große Schmelzen – Der Gletscherschwund
Definition und Beispiele
Der Gletscherschwund bezeichnet den dauerhaften Rückgang der Gletschermassen weltweit. Er zeigt sich vor allem durch das Abschmelzen der Gletscherzungen, das Schrumpfen der Gletscherflächen sowie das vermehrte Abbrechen von Eisbergen. Ursache ist in erster Linie die globale Erwärmung.
In den Alpen ist dieser Rückgang besonders sichtbar:
Der Pasterzengletscher in Österreich hat seit 1856 etwa die Hälfte seiner Fläche verloren. Am Morteratschgletscher in der Schweiz ist die Gletscherzunge seit 1900 um rund 2 Kilometer zurückgewichen. Heute fließt dort ein kleiner Bach und es wächst ein Wald.
In Georgien hat sich der Tviberi-Gletscher innerhalb von 124 Jahren um etwa 4 Kilometer zurückgezogen. Das einst vergletscherte Tal ist inzwischen vollständig eisfrei und bewaldet.
Auch in den Polargebieten ist der Schwund massiv: Seit mindestens 350 Jahren hat es am Grönländischen Eisschild keine so langen und intensiven Schmelzperioden gegeben wie heute. Im Rekordjahr 2019 hat der Eisschild circa 532 Mrd. Tonnen verloren.
Der Gletscherschwund ist weltweit spürbar und betrifft sowohl Hochgebirge als auch Polarregionen.
Ursachen
In den letzten Jahren hat sich der Gletscherschwund deutlich beschleunigt. Die Hauptursache ist der vom Menschen verursachte (anthropogene) Klimawandel, insbesondere durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe seit der Industrialisierung. Dadurch gelangt vermehrt Kohlenstoffdioxid (CO₂) in die Atmosphäre, was den Treibhauseffekt verstärkt: Mehr Wärmestrahlung bleibt auf der Erde, anstatt ins All zurückzukehren. Bis 2021 stieg die globale Durchschnittstemperatur um etwa 1,2 °C, in den Hochgebirgen sogar um bis zu 3 °C.
Diese Erwärmung verlängert die Schmelzzeit der Gletscher: Sie beginnt früher im Jahr, dauert länger und wird intensiver. Statt Schnee fällt zunehmend Regen, auch in großen Höhenlagen, das beschleunigt die Eisschmelze zusätzlich.
Ein weiterer verstärkender Faktor ist, dass Rußpartikel in die Atmosphäre gelangen. Diese stammen aus dem Straßen- und Flugverkehr, der Industrie, dem Energiesektor (z. B. Kohlekraftwerke) und aus offenen Feuerstellen, aber auch aus Vulkanausbrüchen. Gelangen diese Partikel auf Gletscher, bilden sie einen dunklen Schmutzfilm, der das Sonnenlicht stärker absorbiert. Der sogenannte Albedo-Wert (Reflexionsfähigkeit) sinkt. Statt Licht zu reflektieren, wird mehr Wärme aufgenommen. Das erhöht die Schmelzrate um bis zu 20 %.
„Das offene Meer, die Antarktis,
die Arktis und das Hochgebirge mögen vielen Menschen weit entfernt erscheinen,
aber wir sind von ihnen abhängig und werden in vielerlei Hinsicht direkt oder indirekt von ihnen beeinflusst.“
Prof. Dr. Hoesung Lee
(ehemaliger Vorsitzender des Weltklimarats [2015-2023])
Auswirkungen
Der weltweite Gletscherschwund hat tiefgreifende Folgen für Natur, Klima, Gesellschaft und Wirtschaft.
Gletscher speichern rund ein Drittel des globalen Süßwassers, eine Ressource, die angesichts des Klimawandels zunehmend schwindet. Die Konsequenzen sind vielfältig und betreffen insbesondere Wasserversorgung, Katastrophenrisiken, Meeresspiegel und Ökosysteme.
In vielen Regionen der Welt sind Gletscher lebenswichtige Wasserspeicher. In Chile etwa speisen rund 800 Gletscher den Río Maipo, dessen Wasser etwa 40 % der Bevölkerung versorgt. Aufgrund des zunehmenden Schmelzens führt der Fluss jedoch immer weniger Wasser. Hinzu kommen Dürreperioden im Sommer, die das Problem zusätzlich verstärken.
Ähnliche Herausforderungen gibt es in Südasien: Der Himalaya und das Karakorum-Gebirge mit ihren Gletschern gelten als „Wasserschloss Asiens“, da sie Flüsse wie den Indus, Ganges und Brahmaputra mit Schmelzwasser versorgen. Rund 800 Millionen Menschen sind direkt von dieser Wasserquelle abhängig. Ohne die Gletscher drohen langfristig massive Wasserknappheit und Konflikte um Ressourcen.
Bevor Wasserknappheit einsetzt, können Gletscherseeausbrüche katastrophale Überschwemmungen verursachen. Wenn sich durch die Schmelze große Wassermengen ansammeln, können Moränendämme oder Eisbarrieren brechen, wie im Jahr 1947 in Huaraz (Peru), wo ein solcher Ausbruch 5000 Menschen das Leben kostete. Ein weiteres Risiko sind Gletscherstürze. Dabei brechen große Mengen Eis, Schnee und Gestein ab und stürzen talwärts. Diese Ereignisse können Eislawinen und Überschwemmungen auslösen. Besonders erschütternd war der Eissturz an der Marmolata in den italienischen Dolomiten im Juli 2022, bei dem ein riesiger Eisblock mit etwa 300 km/h ins Tal raste und mehrere Menschen tötete.
Solche plötzlichen Naturkatastrophen nehmen mit dem Schmelzen der Gletscher zu.
Langfristig trägt der Gletscherschwund auch wesentlich zum Meeresspiegelanstieg bei. Würde das gesamte Eis auf Grönland schmelzen, würde der Meeresspiegel um 6,5 Meter, bei vollständigem Abschmelzen der Antarktis sogar um 60 bis 70 Meter steigen.
Im Verhältnis dazu, Greifswald liegt auf ca. 8 Meter über dem Meeresspiegel, ist davon also auch betroffen, und man müsste viel Geld für Schutzdämme bezahlen.
Neben Greifswald werden auch Metropolen unter Wasser stehen, oder tun dies bereits, wie zum Beipiel Jakarta, die Hauptstadt Indonesiens, davon habt ihr vielleicht schon gehört.
Bereits heute beschleunigt sich der Anstieg, allein etwa 35 % des aktuellen Meeresspiegelanstiegs ist auf schmelzendes Inlandeis zurückzuführen.
Auch die Ökosysteme in den Polarregionen leiden. In der Antarktis etwa sind viele Tiere auf Eisalgen angewiesen, die an der Unterseite des Meereises wachsen. Diese dienen als Nahrungsgrundlage für den Krill, welcher wiederum Futter für Fische, Pinguine, Robben und Wale ist. Schmilzt das Eis, verschwinden die Algen und mit ihnen beginnt ein ganzer Nahrungskreislauf zu kippen.

Ein Planet im Ungleichgewicht – Nachhaltigkeit überall gefordert
Doch der Gletscherschwund ist nur eines von vielen alarmierenden Beispielen. Auch in anderen Bereichen wird deutlich, wie dringend nachhaltiges Handeln erforderlich ist, um unsere Lebensgrundlagen zu schützen.
Die Folgen des Klimawandels äußern sich auch in immer häufigeren und intensiveren Extremwetterlagen: Hitzewellen, Dürren, Starkregen, Überschwemmungen und Stürme richten weltweit schwere Schäden an. Diese Ereignisse bedrohen Infrastruktur, Landwirtschaft, wirtschaftliche Stabilität und Menschenleben.
In vielen Städten weltweit ist die Luft mit Feinstaub, Stickoxiden und anderen Schadstoffen belastet, verursacht durch Verkehr, Industrie und Energieerzeugung. Diese Luftverschmutzung ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern auch eine ernsthafte Gesundheitsgefahr: Millionen Menschen sterben jährlich an den Folgen verschmutzter Luft. Nachhaltige Mobilität, der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Umstieg auf erneuerbare Energien sind dringend erforderlich, um die Lebensqualität in urbanen Räumen zu sichern.
Durch intensive Landwirtschaft, Monokulturen, den Einsatz von Pestiziden und das Abholzen von Wäldern verliert die Erde jährlich riesige Mengen fruchtbaren Bodens. Dies verringert die landwirtschaftliche Nutzbarkeit und führt langfristig zu Hunger und Armut, besonders in Entwicklungsländern. Ein nachhaltiger Umgang mit Böden ist deshalb unerlässlich. Dazu gehören schonende Anbaumethoden, Fruchtwechsel, Aufforstung und der Schutz natürlicher Bodenfunktionen.
Zukunft retten heißt jetzt Handeln
Der Gletscherschwund macht das abstrakte, große und viel diskutierte Thema „Klimawandel“ greifbar. Durch das Betrachten und Vergleichen von Fotos oder das Besuchen von Gletschern direkt vor Ort sind die Auswirkungen des Klimawandels zu sehen.
Es ist noch wichtig zu sagen, dass, auch wenn man schon mit ziemlicher Sicherheit weiß, dass die Gletscher an Land in den nächsten Jahrzehnten bis Jahrhunderten abgeschmolzen sein werden, es sich definitiv lohnt, Gegenmaßnahmen einzuleiten, um diesen Zeitpunkt so weit es geht in die Zukunft zu schieben. Um uns das Leben und das der zukünftigen Generationen zu vereinfachen und diese natürlichen Eisriesen weiterhin am Leben zu erhalten..
Insgesamt zeigt sich: Der Gletscherschwund ist weit mehr als ein symbolischer Verlust von „ewigem Eis“. Er ist ein konkretes, messbares und gefährliches Symptom des Klimawandels mit direkten Folgen für Millionen von Menschen, die Umwelt und die globale Stabilität.
Von Minna Arendt, Gerda Pieper
Quellen
https://www.bund.net/ueber-uns/nachhaltigkeit
https://www.planet-schule.de/mm/die-erde/Barrierefrei/pages/Was_ist_ein_Gletscher.html
S. Winkler, Gletscher und ihre Landschaften: Eine illustrierte Einführung. Darm-stadt: Primus in Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2009.
W. Hagg, Gletscherkunde und Glazialgeomorphologie, Ist ed. 2020. in Springer e-Book Collection. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, 2020, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61994-0.
J. Alean und M. Hambrey, Gletscher der Welt, 1. Auflage. Bern: Haupt, 2013.
J. Alean, Gletscher der Alpen, 1. Aufl. Bern: Haupt, 2010.
E. Gonstalla und A. Boetius, Das Eisbuch: Alles, was man wissen muss, in 50 Grafi-ken. München: oekom verlag, 2021.
