In Deutschland ist aktuell die Wehrpflicht wieder im Gespräch. Ausgelöst wurde dies durch aktuelle sicherheitspolitsche Entwicklungen – primär den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Schüler:innen betrifft diese Debatte besonders, da das Thema sie direkt betrifft und ihre Zukunft maßgeblich beeinflussen könnte. Dieser Artikel soll sachlich den Stand der aktuellen Debatte und besonders die Perspektive jugendlicher dabei einbeziehen.
Was ist die Wehrpflicht?
Unter Wehrpflicht versteht man die gesetzliche Pflicht eines Bürgers zum, meist auf einen Zeitraum begrenzten, Militärdienst. In Deutschland ist die Wehrpflicht im Artikel 12a Grundgesetz verankert „(1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.“ Von 1956 bis 2011 galt bisher ein verpflichtender Grundwehrdienst für alle Männer über 18 Jahren, dieser ist aktuell ausgesetzt aber nicht abgeschafft. In vielen Ländern (v.a. Westeuropa) wurde die Wehrpflicht in den letzten Jahrzehnten abgeschafft, während andere sie beibehielten oder teilweise auch wiedereinführten z.B. Schweden führte 2017 die Wehrpflicht (11 Monate) für Männer und Frauen wieder ein, Österreich und Finnland halten weiter an ihrer Wehrpflicht fest, während z.B. Frankreich sie seit 1996 abschaffte und auch erstmal daran festhalten will. Dies zeigt wie der Stand der verschiedenen Länder zu dieser Frage ist.
Historischer Rückblick Deutschland
Nach der Wiederbewaffnung im Kalten Krieg wurde 1956 die allgemeine Wehrpflicht in der BRD eingeführt. Alle Männer ab 18 Jahren, mit Ausnahmen über die Kriegsdienstverweigerung mit Zivildienst, mussten fortan Wehrdienst leisten. Das Gesetz trat am 21. Juli 1956 in Kraft. In der DDR gab es ab 1962 ebenfalls einen Wehrdienst, jedoch ohne zivilen Ersatzdienst (nur „waffenloser Wehrdienst“). Anfangs dauerte der Wehrdienst 12 Monate, zwischenzeitlich 18 Monate bis er schließlich bis 2010 schrittweise auf 6 Monate verkürzt wurde. Zu Hochzeiten des Kalten Krieges dienten über 400.000 Soldaten, größtenteils Wehrpflichtige.
Auch damals war die Wehrpflicht umstritten. In den 50ern protestierten Gewerkschaften und Kirchen gegen ihre Einführung. Auch später, gerade nach Ende des Kalten Krieges wurde immer wieder diskutiert, ob die Wehrpflicht noch zeitgemäß sei.
Im Zuge der Bundeswehr-Reform beschloss der Bundestag schlussendlich am 24.März 2011 die Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht zum 1. Juli mit Zustimmung der Fraktionen CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Nach etwa 55 Jahren endet somit die Pflicht zu
Wehr- oder Zivildienst. Artikel 12a blieb jedoch weiterhin bestehen sodass imVerteidigungsfall weiterhin eingezogen werden könne. Gleichzeitig wurde ein freiwilliger Wehrdienst für Männer und Frauen eingeführt – die Bundeswehr wurde auf eine Freiwilligenarmee umgestellt.
Doch wie steht es heute um das Thema?
Gegenwärtige Debatte: Die Rückkehr der Wehrpflicht?
Durch Russlands Angriff auf die Ukraine und die damit verbundene „Zeitwende“ in der Sicherheitspolitik wird die Wehrpflicht wieder diskutiert. Verteidigungsminister Boris Pistorius bezeichnet die Aussetzung mittlerweile als Fehler und es wird gefordert Deutschland müsse „kriegstüchtig“ und „aufwuchs- und verteidigungsfähig“ werden. Dadurch wird aktuell politisch kontrovers diskutiert ob eine Pflicht von Nöten ist oder ob Freiwilligkeit ausreicht. Vor diesem Hintergrund wurde das Wehrdienst-Modernisierungsgesetzt entwickelt und beschlossen.
Das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz
Am 5. Dezember 2025 hat der Bundestag das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz beschlossen. Die Kernelemente des Gesetzes sind die Einführung eines Neuen Wehrdienstes auf freiwilliger Basis, die Wiedereinführung einer umfassenden Wehrerfassung und Musterung für junge Männer und der Rahmen bei Bedarf eine Bedarfswehrpflicht zu aktivieren. In der namentlichen Abstimmung stimmten 323 Abgeordnete (vor allem CDU/CSU und SPD) für das Gesetz, 272 (AfD, Grüne, Linke) dagegen. Ab Anfang 2026 werden alle 18-jährigen Männer und Frauen einen Brief mit einem QR-Code zu einem Online- Fragebogen erhalten. Dieser erfasst persönliche Daten, Gesundheitsinformationen und besonders die Bereitschaft um Wehrdienst zu leisten. Die Beantwortung ist für Männer Pflicht, für Frauen und andere Geschlechter freiwillig, da diese nicht der Wehrpflicht unterliegen. Damit führt Deutschland ein System ein, mit dem die „Wehrdienstreserve“ eines Jahrgangs wieder vollständig erfasst wird.
Das Gesetz betont: der Wehrdienst ist und bleibt in Friedenszeiten freiwillig. Eine allgemeine Einberufung aller Männer findet zunächst nicht statt. Wer sich nach dem Fragebogen entscheidet zu dienen, kann in den Neuen Wehrdienst eintreten. Die vorgesehene Mindestdauer sind 6 Monate, Verlängerungen sind aber möglich. Die Vergütung soll mindestens 2.600€ brutto pro Monat für Wehrdienstleistende und ab 12 Monaten Dienst mit dem Status Soldat:in auf Zeit mindestens 2.700€ brutto mit Zuschüssen zum Führerschein betragen. Die Bundesregierung möchte den Dienst dadurch deutlich attraktiver als den bisherigen freiwilligen Dienst machen.
Wesentlich ist, dass das Gesetz die Optionen für zukünftige Pflichtdienste offenlässt. Falls die Bundeswehr die benötigten Zahlen nicht erreicht, kann der Bundestag die Bedarfswehrpflicht einführen. Dann würden nicht der gesamte Jahrgang, sondern ein Teil der tauglichen Männer tatsächlich eingezogen, etwa mithilfe eines Losverfahren oder anderen Mechanismen.
Positionen der Parteien
Die Parteien sehen den Neuen Wehrdienst und die mögliche Rückkehr der Wehrpflicht unterschiedlich:
Die CDU/CSU befürworten den Neuen Wehrdienst und hatten zuvor auch schon ein „Gesellschaftsjahr“ für alle jungen Menschen vorgeschlagen, das auch in sozialen Bereichen abgeleistet werden könnte. Sie betonen Wehrhaftigkeit, die Landesverteidigung und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Die SPD trägt das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz mit der CDU/CSU und stellt aktuell auch den Verteidigungsminister. Sie betonen die veränderte Sicherheitslage erfordere eine personelle Stärkung der Bundeswehr, zunächst auf freiwilliger Grundlage.
Bündnis 90/Die Grünen lehnen die Rückkehr der Wehrpflicht ab. Ihre Kritik ist, dass das Gesetz zu stark militärisch ausgerichtet sei, eher müssten Zivil-, Katastrophenschutz und Freiwilligendienste stärker ausgebaut und attraktiver gemacht werden.
Die Linke will die Wehrpflicht vollständig aus dem Grundgesetz streichen. Sie kritisieren den Neuen Wehrdienst als Schritt hin zu einer „Wehrpflicht durch die Hintertür“.
Die AfD fordert Grundsätzlich eine klare Wiedereinführung der Wehrpflicht, lehnt jedoch das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz ab, da es aus ihrer Sicht das Problem „nicht bei der Wurzel packt“, die Bundeswehr benötige Soldaten nicht wegen des Geldes, sondern aus Überzeugung.
Öffentliche Meinung, Perspektive der Jugendlichen
Mehrere Umfragen zeigen, dass die Gesamtbevölkerung aktuell für eine Form der Wehrpflicht ist. Eine Forsa-Umfrage (Oktober 2025) ergab, rund 54% der Deutschen sei für und 41% gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Besonders hoch war die Zustimmung der ü-60-Jährigen mit 61%. Bei der Altersgruppe 18-29 Jahren hingegen lag die Ablehnung bei 63%. Die Ansichten unterscheiden sich also eindeutig nach Altersgruppe. Ein Greenpeace Umfrage unter 16- bis 25-Jährigen kommt zu den Ergebnissen, dass 57% eine Rückkehr der Wehrpflicht generell ablehnen und 61% in der Wehrpflicht einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte junger Menschen sehen. Eine Ipsos-Umfrage (Juli 2025) stellt in Teilen starke Unterschiede einer Befürwortung abhängig von Alter, Geschlecht, politischer Einstellung und für wen eine Wehrpflicht gelten soll. Frauen befürworten die Wehrpflicht weniger als Männer, Jüngere Weniger als Ältere und 18% befürworten hier eine Wehrpflicht nur für Männer 44% eine geschlechtsunabhängige Wehrpflicht. Rund um die Verabschiedung des Wehrdienst-Modernisierungsgesetzes gab es sichtbare Reaktionen wie am 5. Dezember die „Schulstreiks gegen Wehrpflicht“ bundesweit in zahlreichen Städten, bei welchen viele Jugendliche die Sorge äußerten für die sicherheitspolitischen Entscheidungen, ohne Beteiligung, „geradestehen“ zu müssen. DieWehrpflicht ist also nicht nur eine juristische oder Sicherheitspolitische Frage, sondern greift auch in die Lebensplanung und politische Wahrnehmung der jungen Generation ein.
Zusammenfassung
Die Wehrpflicht ist in Deutschland seit 1956 verfassungsrechtlich möglich wurde jedoch 2011 ausgesetzt, ohne aber aus dem Grundgesetz gestrichen zu werden. Mit dem Wehrdienst- Modernisierungsgesetz kehrt ab 2026 die Wehrerfassung aller jungen Männer zurück. Der Dienst selber bleibt zunächst freiwillig, wird aber deutlich attraktiver bezahlt und kann bei Bedarf in eine Bedarfswehrpflicht überführt werden. Politisch wird das Gesetz vor allem von CDU/CSU und SPD getragen. Grüne, Linke und AfD lehnen es ab oder kritisieren wichtige Teile. In der Gesamtbevölkerung gibt es inzwischen Mehrheiten zugunsten einer Wehrpflicht, die Zustimmung variiert jedoch nach Geschlecht und Alter, jugendliche sehen sie deutlich kritischer. Viele lehnen einen militärische Pflichtdienst ab sind aber offener für gesellschaftliches Engagement oder einen Pflichtdienst der die Entscheidung zwischen militärischen und zivilen Dienst lässt.
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